Handwerkszeug: Flexionstest im Stand

Der Beckengürtel ist die Kreuzung des Körpers, sein architektonisches Zentrum, Treffpunkt des Bewegungsapparates, Rastplatz des Torsos, Tempel der Fortpflanzungsorgane, Wohnort für sich neuentwickelndes Leben, Sitz der beiden Hauptausscheidungssysteme und – last but not least – etwas, auf das man sich setzt…

Wenn der Osteopath sich der Zusammenhänge zwischen den knöchernen Strukturen des Beckenrings und der richtigen Körpermechanik, dem Kreislauf, Beckenorganen und Beinen, reflektorischen Störungen und entfernten Körperregionen durch endokrin oder neurogen verfälschte Physiologie bewusst ist und zudem Diagnostik und manipulative Korrekturtechniken beherrscht, besitzt er das wichtigste Handwerkzeug, um jede Therapie zu beginnen.

Der Test:

  • ist aussagekräftig für Einschränkungen, die das Becken von den Beinen aus beeinflussen
  • wird verwendet, um die Seite der eingeschränkten Beckenbewegung bei pubischer und / oder iliosakraler Dysfunktion zu identifizieren

Durchführungskriterien:

  • Stand:
  • barfuß
  • aufrecht
  • symmetrische Gewichtsverteilung auf beide Füße
  • Zehenspitzen zeigen symmetrisch nach vorne
  • Standbreite: Ferse unter Acetabulum
  • Arme hängen locker am Körper
  • Eventuelle Beinlängendifferenz ausgleichen

Anweisungen an Patienten:

  • so weit wie möglich nach vorne beugen (versuchen mit Fingern die Zehen zu erreichen)
  • Knie gestreckt halten
  • die Beugung ca. 20 Sek. halten (wegen ev. verkürzter Muskulatur – Ausgleichsmöglichkeit)

Häufige Fehler:

Das Abrutschen der Daumen nach superior, durch die Straffung der Haut und Faszien, infolge der Vorbeuge

Interpretation der Befunde:

  • Physiologisch: die SIPS bewegen sich, bei vollständiger Vorbeuge, beidseits symmetrisch nach superior
  • Ein positiver Befund liegt vor, wenn eine SIPS sich weiter bewegt, nachdem die Bewegung der Gegenseite beendet ist.
  • Wenn dies schon zu Beginn der Vorbeuge auftreten sollte, bedeutet es praktisch fehlende ISG Mobilität (selten)
  • Wenn erst gegen Ende der Vorbeuge (meistens der Fall) dann eher eine leichte Einschränkung der ISG Gelenks
  • Eine Differenz superior – inferior von 1-2 cm ist ein deutlich positiver Befund, 0,5 – 1 cm leicht positiv

Falsch positiv:

  • bei Verkürzung/Hypertonus der ischiocruralen Mm – kontralateral
  • bei Verkürzung/Hypertonus des M. quadratus lumborum – ipsilateral
  • wenn der Unterschied zwischen der inferioren und superioren Position der SIPS im Sitzen deutlich und im Stehen nur leicht ist, handelt es sich wahrscheinlich um einen Übertragungseffekt vom Test im Sitzen (SIG) zum Test im Stehen (ISG), und es liegt keine ISG Läsion vor.

Falsch negativ:

  • Ein beidseits positiver Befund erscheint scheinbar negativ Empfehlung: Durchführung des Storchtests. Er hilft einen bilateral positiven Flexionstest im Stehen von einem negativen Flexionstest im Stehen zu unterscheiden

Überlappungseffekt:

Sind die Befunde beim Flexionstest im Stehen an der WS deutlicher ausgeprägt als im Sitzen, so besteht der Verdacht auf eine Dysfunktion an den  unteren Extremitäten. Ist der Befund an der Wirbelsäule während des Flexionstest im Sitzen stärker ausgeprägt als im Stehen, so liegt der Verdacht auf eine Dysfunktion kranial des Beckens nahe.

Literatur: Fred l. Mitchell, Jr., P. Kai Galen Mitchell: Handbuch der MuskelEnergieTechniken Band 3; Diagnostik und Therapie: Becken und Sakrum

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